Fehlgeburten: „Das darf kein Tabu mehr sein“
Claudia Possautz hat zwei Kinder verloren. Sie will, dass Frauen über Fehlgeburten und Sternenkinder sprechen. Die Kärntner Bestatterin lebt mit dem Tod, den Glauben ans Leben hat sie nicht verloren.
VON DANIELA GRÖSSING
„Ein Sternenkind begleitet Familien ein Leben lang. Das vergisst man nicht“, sagt Bestatterin Claudia Possautz. Sie spricht ein Thema an, das für viele immer noch ein Tabu ist. „Jedes Kind sollte, egal wie schwer es ist, das Recht auf eine individuelle Bestattung haben“, fährt sie fort. Die Kärntner Bestatterin setzt sich bereits seit Jahren für die Anerkennung von Sternenkindern ein. Sternenkinder sind Kinder, die mit einem Gewicht von weniger als 500 Gramm vor, während oder nach der Geburt versterben. Gesetzlich sei es mittlerweile erlaubt, diese Kinder zu bestatten, angenommen wird es bisher aber noch wenig. „Frauen fehlt dann ein Ort, an dem sie trauern und sich verabschieden können“, weiß die fünfzigjährige Frau aus Erfahrung.
Keine Möglichkeit, mich von meinem Baby zu verabschieden
Ihr erstes Kind starb kurz nach der Geburt. „Damals hatte ich leider keine Möglichkeit, mich von meinem Baby zu verabschieden. Früher wurde Frauen geraten, ihr totes Kind nicht einmal anzuschauen. Das hat sich heute Gott sei Dank geändert. Ich fühlte mich damals hilflos und sehr allein“, erzählt Possautz. Ein weiteres Kind verlor sie in der 25. Schwangerschaftswoche. Seither setzt sie sich für Menschen ein, denen dasselbe passiert ist. Sie gründete eine Selbsthilfegruppe für Frauen, die durch eine Fehlgeburt oder eine Totgeburt ihr Kind verloren haben. „Das darf kein Tabu mehr sein. Man muss darüber sprechen“, sagt Possautz. Die sonst so ruhige und besonne Frau gibt sich bei diesem Thema kämpferisch. Viele Frauen würden Fehlgeburten erleiden und nicht darüber sprechen.
Gedenkmessen für Sternenkinder
Der Berufsverband der Frauenärzte schätzt, dass dreißig bis vierzig Prozent aller Schwangerschaften in den ersten zwölf Wochen in einem Abort enden. „Da sich viele immer noch gehemmt fühlen, führe ich am häufigsten Einzelgespräche“, so die Bestatterin. Aufgrund ihrer Bemühungen wurde eine jährliche Gedenkmesse für Sternenkinder in der Region eingeführt. Possautz führt auch Bestattungen für diese Kinder durch.
Zeit nützen
Trotz dieser Schicksalsschläge bleibt Possautz positiv. „Ich habe gelernt, dass das Leben nicht unendlich ist und man seine Zeit nützen soll. Ich versuche so viel Zeit, wie möglich mit meiner Familie zu verbringen. Streitigkeiten räume ich sofort aus dem Weg. Der Tod macht vor keinem Alter halt“, erzählt Possautz, die nie aufgehört hat, an das Leben zu glauben. „Ich lebe bewusst in der Gegenwart und genieße die schönen Stunden viel mehr.“
Kraft in der Natur tanken
Als Bestatterin ist Claudia Possautz täglich mit dem Tod konfrontiert. Trauer ist ihr ständiger Begleiter. Sie führt in dritter Generation die Bestattung Jauntal in Südkärnten. Oft wird sie auch gefragt, wie sie als „Frau“ mit diesem Beruf zurechtkommt. „Genau das Gegenteil ist der Fall, ich tanke Kraft aus meinem Beruf.“ Wenn Possautz ein Fall besonders berührt, sucht sie Trost in ihrem Garten. Rot und in voller Blüte leuchtet gerade der Rhododendron in ihrem Garten. „Der Kreislauf der Natur zeigt mir, dass das Leben auch nach dem Tod weitergeht. Wenn eine Blume stirbt, entsteht durch ihren Samen wieder eine schöne, neue Blume“, sagt Possautz.
Foto: KLZ/Weichselbraun