Frau sagt, Mann sagt: Genderfreie Erziehung
Ein gesellschaftliches Thema, zwei Ansichten: eine Frau und ein Mann vertreten ihre Meinung zu „genderfreie Erziehung“. Warum die Farbe Pink voll okay ist und Kinder eigentlich nicht erzogen werden sollten.
Frau sagt: „In einer Welt in Pink und voll Glitzer“
von KATHARINA PLACEREANO
„Oh ist DER süß!“ „Danke, aber es ist ein Mädchen“ „Achso, ich dachte das, weil die Haube grau ist…“
Wie oft ich dieses Gespräch führen musste, als meine Tochter noch ein Baby war, weiß ich gar nicht mehr. Da ging es nicht nur um eine graue Haube, es war einfach alles an ihrer Kleidung, das nicht rosa war oder geglitzert hatte. Für die Gesellschaft bedeutet dies offenbar automatisch, dass es dann kein Mädchen sein kann.
Wir haben uns bewusst dazu entschieden, unserem Baby-Mädchen nicht immer alles in pink und rosa anzuziehen. Nicht, weil wir sie genderfrei erziehen wollten, sondern weil es so viele schöne Kleidung für Babys in allen möglichen Farben gibt. Es war witzig: alles, das wir zur Geburt geschenkt bekamen, war rosa. Meistens hat es auch geglitzert und war mit Blümchen geschmückt. Deshalb besorgten wir selbst immer eher andere Farben und Muster, damit die Maus nicht nur pink glitzerte.
Dass bereits Babys und Kleinkinder in die typischen Geschlechterrollen gedrängt werden, scheint mir nur logisch. In vielen Geschäften gibt es für Mädchen nur Prinzessinnen und in pink, für Buben hingegen nur Autos und blau. Möchte man einem Kind nichts in rosa oder blau kaufen, steht man ziemlich blöd da. So wird es einem im Grunde unmöglich gemacht, sein Kind nicht in die typischen Geschlechterrollen zu zwängen.
Meine Tochter ist nun 4 Jahre alt und entscheidet weitestgehend selbst, was ihr gefällt und was sie anzieht. Ihr gefallen sämtliche Rosa- und Lilatöne und sie liebt Puppen und Prinzessinnen. Genauso gern spielt sie aber auch mit Autos und Zügen und trägt graue oder blaue Kleidung.
Wir wollen ihr auf jeden Fall mitgeben, dass es völlig okay ist, egal womit sie spielt und welche Farben ihr gefallen.
Mann sagt: „Kindliche Persönlichkeit fördern, nicht erziehen“
von Willi GIULIANI
Mein Sohn Levi ist cool. Er ist auch wahnsinnig schlau, charmant und witzig. Ich bewundere an ihm seine Fähigkeit, Dinge klar zu benennen. Er stellt punktgenaue Fragen zu Politik oder anderen Dingen, die ihm unbegreiflich sind. Er ist interessiert an der Welt. Für einen Neunjährigen ist er sehr weit. Ich finde das super.
Levi kann aber auch eine ziemliche Nervensäge sein. Er isst nicht, was wir wollen, sondern nur, was ihm schmeckt. Er geht nicht ins Bett, wann wir es wollen oder für richtig halten, sondern dann, wenn er beschließt, nicht mehr länger aufbleiben zu wollen. Er widerspricht oft und nervt, zum Beispiel wenn er sein Nintendo 3DS nicht bekommt. Oft muss man mit ihm um Kleinigkeiten streiten, ihm und seinem kindlichen Treiben Grenzen setzen.
Levi ist kein typischer Junge. Er steht nicht auf Fussball, sondern auf Skateboard und Mädchen findet er auch nicht blöd. Im Gegenteil: er hat eine Freundin, die aber nicht seine Freundin ist, sondern einfach eine Freundin. Er verbringt mit ihr ebenso gern seine Zeit wie mit seinem besten Freund.
Levi hat keine Eltern, er hat eine Mama und einen Papa. Wir sind beide für ihn da und fühlen uns für ihn zuständig. Es macht einen Unterschied, wenn Kinder in gleichberechtigten Partnerschaften aufwachsen, wo es keine festgefahrenen Rollenbilder gibt. Im Grunde sollte man sich auch von der Vorstellung verabschieden, Kinder erziehen zu wollen. Ihre eigenständige Persönlichkeit zu fördern, darum geht’s. Das würde Druck aus der Debatte nehmen und der auf Rollenklischees basierenden Geschäftemacherei den Boden entziehen.
Hier gehts zum zweiten Teil: Frau sagt, Mann sagt: Zahlen beim Date