Warum jede Frau einmal allein reisen sollte
Allein sein heißt nicht einsam sein. Schon gar nicht auf Reisen. Eine Geschichte von Sicherheit, Single-Wanderungen und dem Traum vom Auswandern.
VON ANNA BOSCHNER
Ein Ticket, einen Sitzplatz im Zug, ein Einzelzimmer, nur ich. In diesem Sommer habe ich etwas gemacht, was ich noch nie zuvor gemacht habe: eine Reise allein. Ein Städtetrip nach Venedig, um dort einen Sprachkurs zu machen. Zwei Wochen ohne Begleitung, ohne Kompromisse.
Das was mir in diesem Sommer neu war, kennt Anita Arneitz bereits seit Jahren. Sie reist fast ausschließlich allein, ob beruflich oder privat. Die Journalistin sagt: „Alleine Reisen heißt nicht einsam, sondern mutig sein“. Tatsächlich reisen immer mehr Menschen solo. Verschiedene Studien bestätigen den Trend zum Ego-Trip: Laut einer Umfrage der Reisewebsite Skyscanner reisen immer mehr Deutsche aus Überzeugung allein.
Anita schreibt hauptsächlich Reiseberichte für deutschsprachige Zeitungen. Zudem berichtet sie von ihren Reisen auf ihrem Blog. Ihr Beruf lässt sie damit privates und berufliches Reisen verbinden. Welche Vorteile das Alleinreisen für sie hat? „Ich habe die Freiheit, so lange an einem Ort zu bleiben, wie ich möchte.“ Da kann es schon einmal vorkommen, dass sie sich zwei Stunden auf eine Bank am Meer oder Stadtzentrum setzt und die Atmosphäre genießt. „Allein auf Reisen habe ich das Gefühl, viel stärker bei mir selbst zu sein.“
Kein teurer Schmuck und die Kamera im Rucksack
Wenn Anita einen Urlaub buche, achte sie genau auf die Lage der Unterkunft. „Ich schaue immer, dass ich zentral wohne, in keinen dunklen Gassen und nicht in Vierteln, die für eine hohe Kriminalität bekannt sind.“ Ihre wichtigen Dokumente, wie Reisepass und Kreditkarte trägt sie eng am Körper und ihre Kamera hält sie – wenn sie sich einen Moment nicht sicher fühle – nicht offen vor der Brust, sondern lasse sie im Rucksack verschwinden. „Außerdem benutze ich, wenn ich allein bin selten Schmuck, keine teuren Uhren und bin eher Basic unterwegs“.
Beim Wandern andere Singles treffen: Eine Partnerbörse?
„Meistens bin ich in der Region der Alpen und der Adria unterwegs“, sagt Anita. Am liebsten hört sie dabei auf die Tipps von Einheimischen. „Klassische Pauschalreisen und Cluburlaube mag ich überhaupt nicht. Da bekommt man nichts vom Land mit“. Besonders in puncto Sicherheit steht Europa ganz oben auf der Beliebtheitsskala bei Solo-Reisen. Laut der Studie Ruefa Reisekompass 2017 bevorzugen 82 Prozent der Singles Europa als Reiseziel. Besonders Frauen fühlen sich in Europa sicherer als in der Ferne. Die beliebtesten Länder: Italien, Spanien, Kroatien, Großbritannien, Deutschland und Griechenland. 55 Prozent der Singles wollen 2017 einen Städtetrip machen – die beliebtesten Städtetrips in Europa: Rom, Amsterdam, Stockholm, London oder Zürich. 35 Prozent der Singles zieht es in die Ferne – auf Platz 1 steht der asiatische Raum. Besonders oft gebucht von Singles werden Thailand und Vietnam, gefolgt von Australien, Neuseeland und Amerika.
Reiseanbieter haben längst Angebote für die 1,3 Millionen Singles in Österreich geschaffen. Karin und Helmut Zörrer betreiben die Plattform singlewandern.at. Sie organisieren Wanderungen, bei welchen Alleinstehende zusammenkommen. „Leute, die auf ‚Seitenhüpfer‘ aus sind, bleiben bei uns außen vor“, schreiben sie auf ihrer Homepage. So können sich Interessierte auf der Webseite beispielsweise für eine Wanderung um den Mattsee in Salzburg, inmitten der Nockberge in Kärnten oder für eine zweitägige Tour in der Wachau anmelden.
Hotel für alleinreisende Frauen in Italien eröffnet
Die Niederländerin Anna Icks hat vor einem Jahr ein Hotel für alleinreisende Frauen in Mittelitalien eröffnet, etwa 80 Kilometer südlich der Stadt Ancona. Warum sie ausschließlich Frauen empfange? „Ich selbst habe auf meinen Reisen immer nach so einem Konzept gesucht, doch nirgends gefunden.“ Ihr Hotel soll ein „ein sicherer Hafen“ sein. Dort können Alleinreisende für sich sein, oder mit den anderen Hotelbewohnerinnen in Kontakt treten, wie beim gemeinsamen Abendessen. An Männer richte sich ihr Angebot nicht. „Diese verändern die Dynamik in einer Frauengruppe vollkommen. Mir geht es um Female Empowerment.“ Anna ist der Meinung, dass in einer gemischtgeschlechtlichen Gruppe Frauen sehr häufig, wenn auch unbewusst, auf ihr Aussehen achten. „Das lässt sich nicht abstellen.“ Ebendies möchte sie vermeiden.
Damit hat sich die 38-Jährige im vergangenen Jahr einen Lebenstraum erfüllt. Denn: Ihre Leidenschaft gilt dem Land Italien. „Jedes Mal, wenn ich von einem Urlaub zurückgekehrt bin, habe ich während der Rückreise geweint“, sagt die Niederländerin. Ihr Traum für viele Jahre: auswandern. Vor vier Jahren war es schließlich soweit. Anna verkaufte ihre Wohnung, kündigte ihren Job und wanderte nach Florenz aus. „Endlich hatte ich es geschafft, habe ich mir gedacht“. Doch es kam anders. Anna fand in der toskanischen Stadt nur schlecht bezahlte Nebenjobs. „Nach einem Jahr gab ich auf. Ich hatte mein gesamtes Erspartes ausgeben. Ich zog zurück in die Niederlande“.
Neuer Versuch: Anna probiert es noch einmal
Aus der Traum? Nein. „Ich begann noch einmal von vorne. Wohnte bei meinen Eltern, arbeite und sparte so viel Geld wie möglich.“ Und: Dieses Mal entwarf Anna einen Plan: ein eigenes Hotel zu eröffnen. Anna besuchte Seminare zur Hotelführung in den Niederlanden. Vor einem Jahr reiste sie schließlich wieder nach Italien. Doch dieses Mal, um sich ein Haus im italienischen Dorf Carassai anzusehen – eine Villa mit Backsteinmauern, Zypressen im Garten und einer großen Terrasse. „Sechs Wochen später habe ich den Mietvertrag unterschrieben.“
Allein zu reisen ist ein Ausbruch aus der Komfortzone. Das habe auch in Venedig bemerkt. Doch es hat sich gelohnt. Der nächste Urlaub allein ist bereits geplant. Hotelbesitzerin Anna Icks rät Frauen, die sich nicht trauen oder Zweifel haben, es auf jeden Fall einmal zu versuchen. Sie sagt: „Alleinreisen ist gut für das Selbstbewusstsein. Man merkt, dass man sich selbst vertrauen kann.“