Sterilisation: Ich will kein Kind – nie im Leben!
Viele Frauen haben den Wunsch nach einem „kinderfreien“ Leben. Sterilisation ist ein Thema, das polarisiert.
von SOPHIA GRUBER
Obgleich viele Kritiker sagen, Sterilisation gehe „gegen die Natur von Frauen“, wird der Ruf nach Selbstbestimmtheit immer größer. Susanne Rau (31) ist Gründerin des gemeinnützigen Vereins Selbstbestimmt steril in Leipzig. Seit Jahren setzt sie sich für die Enttabuisierung dieses Eingriffs ein und hilft Frauen auf ihrem Weg. Sie hat keine Kinder und ist sterilisiert. Noch vor ihrem zwanzigsten Geburtstag merkte sie, dass sie sich ihr Leben ohne Kinder vorstellen kann und sie keinen Drang nach einer Mutterschaft hat. „Ich fühle mich mit den Gedanken, ein Wesen aufzuziehen und Verantwortung dafür zu übernehmen, einfach nicht wohl“, sagt Susanne. Schnell kam das Thema Sterilisation auf. Der Weg führte sie zu ihrem Gynökologen, der ihr aber nicht weiterhelfen konnte.
So begann Susannes Suche nach einem Arzt, der den Eingriff bei ihr durchführen würde. In der Klinik in Leipzig, die damals ihre Kupferkette gelegt hatte, hieß es am Telefon, dass sie solche Eingriffe nicht machen würden und sie mit 27 Jahren auch noch zu jung wäre. Der nächste Anruf war bei einer privaten Praxis, ebenso in Leipzig. Daraufhin wurde die junge Frau zu einem Beratungstermin im Dezember 2016 eingeladen. Ein paar Monate später wurde ihr ein OP-Termin zugeteilt und Susanne war sterilisiert. Sie sagt, die Ablehnungen wären ungerechtfertigt passiert, da man in Deutschland lediglich volljährig und mündig sein muss, um ein Recht auf Sterilisation zu haben. Also muss man 18 Jahre alt sein und darf keinen gesetzlichen Vormund haben. In Österreich liegt das Mindestalter bei 25 Jahren.
Ein Verzeichnis auch für Frauen
Bald kam Susanne auf die Idee, ein Verzeichnis mit allen Ärzten in Deutschland zu erstellen, die diesen Eingriff auch bei jungen Frauen durchführen. „So etwas hat es bis dato nicht gegeben. Lediglich ein Verzeichnis mit Urologinnen und Urologen, die Vasektomien durchführen, haben wir gefunden“, informiert Susanne. Mittlerweile ist der Verein auf Instagram, Facebook und Twitter vertreten. Auf der Vereinswebsite findet man die Karte mit Ärzten, die Sterilisationen durchführen, Informationen rund um das Thema und Erfahrungsberichte. Seit der Vereinsgründung hat Susanne Rau mit Ihrem Team einige Mitglieder aufgenommen. Der Gründungsmitgliedskreis bietet täglich Diskussionen auf Social-Media-Kanälen an.
Der Wunsch, keine Kinder zu bekommen, schlummert nicht nur in Susanne. Die Reaktionen reichen von absoluter Tabuisierung bis hin zu Anfeindungen. Doch was wiegt mehr? Das Selbstbestimmungsrecht oder die Angst der Ärzte, die Frauen könnten diesen Schritt bereuen? Die Gründe für den starken Wunsch nach einem „kinderfreien“ Leben sind so unterschiedlich wie die Personen, die dahinterstehen.
Die 24-jährige Lu (Name von der Redaktion geändert) kommt aus Bielefeld und ist seit September 2020 sterilisiert. Sie unterstützt den Verein Selbstbestimmt steril, in dem sie ihn weiterempfiehlt und Flyer und Sticker verteilt. „Ich glaube, dass das Thema tabuisiert wird, da wir noch immer in einer von Sexismus geprägten patriarchalen Gesellschaft leben“, ist sie sich sicher. Sie wendete sich an eine von Selbstbestimmt steril empfohlene Ärztin aus Dortmund. Ihre Operation kostete 550 Euro. Lu ist seit ihrem Eingriff sehr glücklich und kann sich jetzt schon sehr viel mehr mit ihrem Körper identifizieren. „Was mich in Bezug auf die Sterilisation wirklich ärgert, ist, dass mögliche Folgebehandlungen aufgrund von OP-Komplikationen selbst bezahlt werden müssen.“
„In ein paar Jahren denkst du anders“
Mitten im Entscheidungsprozess befindet sich Marie (Name von der Redaktion geändert). Sie ist 22 Jahre alt. Und sie ist genervt, von anderen immer die gleichen Reaktionen zu bekommen, wenn sie über ihre geplante Sterilisation spricht. „Bist du dir sicher? Du bist ja noch zu jung, um das einzuschätzen. In ein paar Jahren denkst du anders “, bekommt sie dann oft zu hören. Marie fragt sich, warum man nicht die gleiche Frage einer 22-jährigen Frau stellt, die überlegt, ein Kind zu bekommen. Sie mag Kinder und liebt ihre Nichten und Neffen sehr. Ihre größte Angst ist aber, dass sie ihre Mutterschaft bereuen könnte. „Ich wäre zwar eine gute Mutter, aber keine glückliche“, glaubt Marie.
Bei einer Sterilisation werden die Eileiter undurchlässig gemacht. Die Eierstöcke bleiben unberührt, da man ansonsten wegen mangelnder Hormonproduktion verfrüht in den Wechsel kommen würde. Man kann zwischen mehreren Methoden wählen. So können die Eileiter durchtrennt, verklebt, mechanisch mit einem Clip verschlossen oder abgebunden werden. Die sicherste Methode ist das Durchtrennen und das teilweise oder komplette Entfernen der Eileiter.
Bild-Quelle: Aurélien Glabas (flickr)