Geschichte der Verhütung: „Weib, du bist frei!“
Ein kleines Museum in Wien zeigt Wissenswertes und Tragikomisches zur Geschichte von Verhütung und Schwangerschaftsabbruch. Nach frühen Grausamkeiten und moderneren Kuriositäten stellt sich die Frage: was kommt als Nächstes?
von PIA STEIDL
Für einen sonnigen Sonntag Nachmittag im Herbst ist das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch (MUVS) ganz schön voll. Eine Gruppe Freundinnen und einige Paare sind in die Ausstellung gekommen. Auch eine Familie mit Kindern. In zwei wohnzimmergroßen Altbau-Räumen ohne Fenster soll das riesige Thema Platz finden. Kein Wunder, dass die Zimmer bis oben hin voll sind.Vor allem mit Kuriositäten.
Sex nach Plan: endlich so etwas wie Verhütung
Bis zum Jahr 1927 war das Kondom das einzig halbwegs ernstzunehmende Verhütungsmittel. Dann fanden die Gynäkologen Kyusaku Ogino aus Japan und Hermann Knaus aus Österreich heraus, dass Frauen lediglich wenige Tage in der Mitte ihres Zyklus’ fruchtbar sind. Mittels Verhütungskalender konnten sie errechnen, wann eine Empfängnis wahrscheinlich war. Im Gegensatz zum Kondom waren sie nun nicht mehr auf Männer als Verhüter angewiesen. „Weib du bist frei“ steht deshalb auf einem schwarz-weißen Plakat von 1931, das einen solchen Vehütungskalender bewirbt. „Natürliche Familienplanung“ (NFP) oder „Klaus-Ogino-Methode“ wird diese – äußerst unsichere – Form der Verhütung heute genannt. Fun Fact: Sie ist bis heute die einzige Verhütungsmethode, die die katholische Kirche erlaubt.
Vor dieser Entdeckung war es Glückssache, ob andere wirksam geglaubten Methoden tatsächlich den gewünschten Effekt brachten. Manche Kräuter wie Rosmarin, Thymian oder Petersilie konnten zumindest schwach empfängnishemmende Wirkung haben. Andere Methoden, wie die Scheidenspülung mit „Mutterspritze“ oder Bidet, das Auf- und Abspringen der Frau nach dem Geschlechtsverkehr oder das Tragen magischer Amulette brachten vor allem eines: mehr Kinder.
Bis in die 1940er-Jahre zeigte sich zudem erst am runden Bauch, dass eine Frau schwanger war. Dann kam der Froschtest: dabei wurde Fröschen der Urin der Frauen injiziert. War die Frau schwanger, laichten die weibliche Frösche nach 12-24 Stunden, die männlichen schieden Samenflüssigkeit aus. Mittlerweile geht es glücklicherweise schneller und tierfreundlicher.
Gefährliche Abtreibung
Resultat fehlender oder unzulänglicher Verhütungsmöglichkeiten war die hohe Zahl an Abtreibungsversuchen. Abtreibung war nicht nur bei hoher Strafe verboten, sondern konnte für die Frau auch tödlich oder mit schweren Verletzungen enden. Im zweiten Raum des Museums liegen Stricknadeln, Stöcke und andere spitze Gegenstände hinter Glas. Mit ihrer Hilfe sollte die Fruchtblase angestochen und dadurch der Fötus abgetrieben werden. Wurde dabei die Gebärmutterwand verletzt, konnte die Wunde starke Blutungen und Entzündungen im Bauchraum verursachen. Ähnlich gefährlich war die Einnahme von Quecksilber, Arsen oder anderer Gifte als abtreibende Mittel. Im Museum ist eine Liste ausgestellt, die einen Großteil der dieser vermeintlich abtreibenden Substanzen auflistet.
die Pille, Hurra!
Der nächste Meilenstein in der Verhütung nach der Entdeckung der fruchtbaren Tage war die Einführung der Pille in den 1960er-Jahren. Sie war für die damalige Zeit revolutionär. Beinahe etwas zu revolutionär, denn verschrieben wurde sie bis Ende der 60er nur verheirateten Frauen über dreißig und mit Kindern. Zu niedrig war die gesellschaftliche und politische Akzeptanz.
Heute ist die hormonelle Verhütung in allen möglichen Variationen zu haben. Nur nicht für den Mann. Was viele Frauen bedauern, ist für Dr. Susanne Krejsa MacManus vom MUVS nur von Vorteil: „Glücklicherweise war es wesentlich einfacher einen Eisprung im Monat zu unterdrücken als die Produktion von 100 Millionen Spermien pro Tag.“ Die Konsequenzen einer Schwangerschaft wären für Frauen viel verheerender, deshalb sei es nur „gut und richtig“, dass die Verantwortung der Verhütung auch bei ihnen liegt. „In den meisten Partnerschaften sind die Frauen besser organisiert und konsequenter als die Männer. Soll ich ihn jeden Tag fragen, ob er die Pille auch wirklich genommen hat?“ meint die Wissenschaftlerin.
Geforscht wird jedenfalls an Verhütungsmitteln für Frau und Mann. Bleibt zu hoffen, dass die nächste Revolution bald kommt.